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Tipps für Angehörige

Ein Krankenhausaufenthalt erscheint Menschen mit kognitiven Einschränkungen - wie beispielsweise einer Demenz - eine unbekannte Situation zu sein. Sie kann zu großer Unsicherheit, Stress und Unruhe führen. Die gewohnte Umgebung, Bezugspersonen und bekannte Tagesabläufe fehlen. Diese herausfordernde Situation kann dazu führen, dass sich die Symptome der demenziellen Erkrankung verschlechtern oder es sogar zu einem Delir kommt.

Da eine gesicherte Demenzdiagnose bei der Aufnahme ins Krankenhaus oftmals nicht vorliegt, spricht man umfassender von Menschen mit kognitiven Einschränkungen, Menschen mit kognitivem Risiko oder Menschen mit kognitiven Störungen.

Um Menschen mit kognitivem Risiko bedürfnisgerecht versorgen zu können, befassen sich immer mehr Kliniken mit Maßnahmen, die einen Klinikaufenthalt für alle Beteiligten erleichtern können. Wir als Koordinierungsstelle Bayern Demenz im Krankenhaus fungieren als Anlaufstelle für bayerische Krankenhäuser, um sie bei der Entwicklung und Etablierung solcher Maßnahmen zu unterstützen. Sie haben ebenfalls einige Möglichkeiten um Ihre bzw. Ihren Angehörigen während des Klinikaufenthalts zu unterstützen. Hier finden Sie wichtige Hinweise und Tipps sowie weiterführende Links.

Was kann ich als Angehörige oder Angehöriger tun?

Sie können viel dazu beitragen, dem Krankenhausaufenthalt Ihrer bzw. Ihres Angehörigen für alle Beteiligten einen günstigeren Verlauf zu geben. Wichtig ist dabei, einen akut auftretenden Verwirrtheitszustand (Delir) zu erkennen und von den bisher bekannten Symptomen einer Demenz zu unterscheiden.

Erfahren Sie hier mehr über den Unterschied von Demenz und Delir und die Maßnahmen, mit denen Sie unterstützend tätig werden können. Bitte sprechen Sie in jedem Fall alle Maßnahmen mit dem medizinischen sowie pflegerischen Personal ab!

Demenz und Delir – Wichtig zu wissen

Wie äußert sich ein Delir?

Ein Delir ist ein plötzlich – also innerhalb von Stunden - auftretender Verwirrtheitszustand, der sich so auswirken kann:

  • Ihre Angehörige bzw. ihr Angehöriger ist im Krankenhaus durcheinander, unruhig, leicht ablenkbar oder wirkt ungewöhnlich schläfrig, still und teilnahmslos.
  • Die Orientierung zu Personen kann beeinträchtigt sein. Das kann z. B. bedeuten, dass Sie nicht erkannt oder mit anderen verwechselt werden.
  • Es kann sein, dass ihre Angehörige oder Ihr Angehöriger zur Örtlichkeit desorientiert ist oder die Situation Krankenhaus nicht erkennt.
  • Die Wahrnehmung der Tageszeit sowie der Schlaf-Wachrhythmus können gestört sein.
  • Es kann zu Veränderungen des Verhaltens kommen: Unruhe, Reizbarkeit, verbale und körperliche Aggression werden als herausfordernde Verhaltensweisen bezeichnet.
  • Halluzinationen, Sinnestäuschungen, Ängste und der Eindruck, bedroht zu werden oder in Gefahr zu sein, können herausforderndes Verhalten auslösen.
  • Der Verwirrtheitszustand ist in der Regel im Tagesverlauf unterschiedlich ausgeprägt. Klare Momente und starke Verwirrtheit können sich innerhalb von Stunden abwechseln.

Eine Demenzerkrankung kann sich ähnlich äußern. Die Anzeichen eines Delirs können daher mit denen einer Demenz verwechselt werden. Wichtig ist deshalb, das medizinische sowie das pflegerische Personal auf starke Veränderungen zum Zeitraum vor dem Krankenhausaufenthalt oder Eingriff hinzuweisen!

Wodurch wird ein Delir ausgelöst?

Ältere Patientinnen und Patienten – im Alter von 65 Jahren und mehr – sind bei Behandlungen im Krankenhaus häufiger von einem Delir betroffen, als Jüngere (Ergebnisse der GHoSt-Studie). Wenn gleichzeitig eine Demenz vorliegt, ist in dieser Altersgruppe die Wahrscheinlichkeit etwa doppelt so hoch, ein Delir zu erleiden als bei Personen ohne Demenz. Es gibt weitere Faktoren, die je nach individueller körperlicher und geistiger Verfassung einzeln oder in Kombination eine Rolle spielen können.

Häufige Auslöser sind:

  • Infektionen, wie z. B. Harnweginfekte
  • Operationen
  • Medikamente
  • Flüssigkeitsmangel
  • Veränderung der Blutwerte, besonders der Elektrolyte (Natrium, Kalium)
  • Einschränkungen des Sehens und des Hörens
  • Fremde Umgebung
  • Angst und Unsicherheit
  • Fehlende Bezugspersonen
  • Veränderte Tagesstrukturen und fehlende Beschäftigung
  • und weitere

Wie wird ein Delir behandelt?

Das Delir ist ein medizinischer Notfall. Die Behandlung des Delirs umfasst zwei Bereiche:

Die medikamentöse und die nicht pharmakologische Behandlung.

Zur medikamentösen Behandlung gehört

  • die Behandlung der Grunderkrankung, die in der Regel mitauslösend ist (z. B. Behandlung eines bestehenden Harnwegsinfektes),
  • ggf. eine Anpassung verabreichter Medikamente
  • sowie ggf. eine medikamentöse Behandlung akuter Symptome des Delirs 

Die nicht-pharmakologische Behandlung schließt u. a. ein

  • Sicherheit geben durch die Anwesenheit von Bezugspersonen, v. a. in der Notaufnahme und nach der Operation
  • Zeitliche Orientierung durch gut ablesbare Uhren und Kalender ermöglichen
  • Geborgenheit schaffen durch Umgebungsgestaltung, wie Farbkonzepte, Bilder, das Mitbringen persönlicher Gegenstände und Fotos
  • Reduktion von Reizen, die das Delir fördern, wie Geräusche und Blinken medizinischer Geräte, Lärm oder grelles Licht
  • Bewegung fördern – soweit medizinisch möglich
  • Tagesstruktur unterstützen, v. a. am Nachmittag und am Abend
  • Beschäftigung ermöglichen
  • und möglichst häufig soziale Kontakte – ein freundliches Wort, ein kurzes Gespräch, eine Erklärung der medizinischen und pflegerischen Handlungen oder die Begleitung bei Mahlzeiten

Was Sie tun können!

Hilfestellungen

Sie können als Angehörige oder Angehöriger maßgeblich Anteil haben, ein Delir zu verhindern oder dessen Verlauf positiv zu beeinflussen! Ihre Informationen können dazu beitragen, dass das Delir erkannt und behandelt wird.

Bedenken Sie bitte: das medizinische sowie pflegerische Personal weis in der Regel nichts oder wenig darüber, in welchem geistigen und emotionalem Zustand ihre Angehörige bzw. ihr Angehöriger unmittelbar vor dem Krankenhausaufenthalt war! Nur durch Informationen hierzu können Veränderungen erkannt werden.

  • Informieren Sie die Mitarbeitenden über die kognitiven Einschränkungen Ihrer bzw. Ihres Angehörigen sowie über den Tagesrhythmus, Gewohnheiten bei der Körperpflege und Vorlieben

  • Fragen Sie in der Klinik nach einem Biografiebogen auf dem Sie wichtige Informationen über Ihre Angehörige oder Ihren Angehörigen für die Klinikmitarbeitenden festhalten können: Übliche Beschäftigung, Essgewohnheiten, grundsätzlicher Unterstützungsbedarf, Namen wichtiger Personen oder Haustiere sind Beispiele für solche Angaben.

  • Sollte die Klinik keinen Bogen bereitstellen, können Sie auf der Internetpräsenz der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V. einen Informationsbogen herunterladen.

  • Denken Sie daran, Hilfsmittel wie Brille, Hörgeräte etc. mitzunehmen. Diese unterstützen Ihre Angehörige bzw. Ihren Angehörigen bei der Orientierung.

  • Platzieren Sie im Krankenzimmer im unmittelbaren Umfeld Ihrer bzw. Ihres Angehörigen persönliche Gegenstände, um Vertrautheit und Orientierung zu schaffen. Fotos auf dem Nachtkästchen, das Lieblingskissen, ein kleines Poster oder weitere Lieblingsdinge sind sehr hilfreich.

  • Besuchen Sie - wenn möglich – Ihre Angehörige bzw. Ihren Angehörige oft. Ein vertrautes Gesicht und gewohnte Ansprache schaffen Sicherheit. Die Anwesenheit einer Bezugsperson kann so dazu beitragen, dass herausfordernde Verhaltensweisen, wie z. B. Unruhe oder Umherlaufen während des Klinikaufenthalts seltener auftreten.

  • Klären Sie – wenn möglich vorab – ob in der Klinik Rooming-In realisierbar ist: Gegebenenfalls können Sie als Begleitperson für Ihre Angehörige bzw. Ihren Angehörigen aufgenommen werden. So können Sie als emotionale Unterstützung fungieren und bei Untersuchungen oder Arztgesprächen Sicherheit vermitteln. Wenn Sie vom Hausarzt oder dem Krankenhausarzt bescheinigt bekommen, dass eine Begleitung aus medizinischen oder therapeutischen Gründen unerlässlich ist, übernimmt in der Regel die Krankenkasse die anfallenden Kosten (§ 11 Absatz 3 SGB V).

  • Fördern Sie Aktivitäten. Bringen Sie Beschäftigungsmaterial mit, das Ihrer bzw. Ihrem Angehörigen Freude bereiten könnte. In Abhängigkeit vom kognitiven Zustand können Malutensilien, Rätselhefte, Fotoalben oder Musik hilfreich sein. Überfordern Sie Ihre Angehörige bzw. Ihren Angehörigen in dieser besonderen Situation jedoch nicht. Falls ein Delir vorliegt oder vermutet wird, bzw. bei weit fortgeschrittener Demenz, können z. B. auch Stoffpuppen oder Kleidungsstücke zum „nesteln“ hilfreich sein. Solche Aktivitäten können helfen, Langeweile zu vertreiben und das Wohlbefinden zu fördern.

  • Fragen Sie in der Klinik nach Delir- und Demenzflyern, um sich einen Überblick über bestehende Angebote und Maßnahmen verschaffen zu können.

  • Der Sozialdienst kann Sie in der Regel bezüglich der Beantragung der Kostenübernahme des Rooming-Ins, Wissenswertes zur Entlassung (Entlassmanagement) sowie zur Nachsorge informieren.

Hier erhalten Sie Unterstützung und Hilfe

Achten Sie auf Ihre eigenen Bedürfnisse und suchen Sie gegebenenfalls Unterstützung und Hilfe. Selbstfürsorge ist sehr wichtig: Die Versorgung und Betreuung von Menschen mit kognitiven Einschränkungen ist eine große Herausforderung. Achten Sie daher auf Ihr eigenes Wohlergehen, Ihre Ressourcen und Ihre eigene Belastungsgrenze. Überfordern Sie sich nicht!

Hilfe und Unterstützung zum Thema Demenz finden Sie u. a. hier:

Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. – Selbsthilfe Demenz

Mit Demenz im Krankenhaus

Alzheimer Telefon

Hilfe und Beratung in ihrer Nähe

Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. – Selbsthilfe Demenz / Medhochzwei Verlag

Demenzpodcast Folge 63 Demenz und Delir

Deutsche Alzheimer Gesellschaft Landesverband Bayern e. V. – Selbsthilfe Demenz

Standorte in Bayern Lokale Alzheimer Gesellschaften in Bayern

Fachstelle für Demenz und Pflege Bayern

Angebots-Landkarte z. B. Fachstellen für pflegende Angehörige und Pflegestützpunkte

Quellen und weiterführende Hinweise

Wegweiser Demenz: Demenzsensibles Krankenhaus

Der Wegweiser Demenz wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegeben. Die Internetpräsenz stellt umfangreiche Informationen zum Thema Demenz bereit, unter anderem zum Aufenthalt im Krankenhaus:

Demenzsensibles Krankenhaus

Im Krankenhaus – Aufnahme

Stiftung ZQP Zentrum für Qualität in der Pflege: Delir-Prävention

Die Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege bietet verschiedene Materialien zu Delir und Delirprävention an.

Delir-Prävention

St. Franziskus Hospital Münster

Das St. Franziskus-Hospital in Münster hat ein wegweisendes Konzept zur perioperativen Begleitung von Patientinnen und Patienten erarbeitet, die gefährdet sind, ein Delir zu entwickeln. „Speziell geschulte examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen- bzw. Altenpflegerinnen begleiten ältere Patientinnen und Patienten vor, während und in den ersten Tagen nach der Operation“

Allgemeine Infos zum Delir

Informationen für Patienten und Angehörige