Ein Blick in die Vorträge
Zum Auftakt des Symposiums stellte die Diplom – Psychologin, Frau Prof. Dr. Martina Schäufele (Technische Hochschule Mannheim) die wissenschaftlichen Grundlagen herausfordernden Verhaltens vor. Sie präsentierte u. a. die Ergebnisse der General Hospital Study. Zwei von fünf älteren Patientinnen und Patienten im Krankenhaus (40%) seien demnach kognitiv beeinträchtigt, fast jeder fünfte (18,4 %) sei von einer Demenz betroffen. In der Konsequenz bedeute dies, dass täglich ca. 47.000 Patientinnen und Patienten mit einem kognitiven Risiko in deutschen Krankenhäusern behandelt würden. Nahezu 80 % dieser Patientinnen und Patienten seien von der Entwicklung herausfordernden Verhaltens betroffen. Dies führe u. a. häufig zu expansiven Symptomen (z. B. Unruhe oder Halluzinationen) verbunden mit der Abwehr medizinischer oder pflegerischer Maßnahmen sowie zu Belastungen für das Pflegefachpersonal.
Eine zentrale Herausforderung sei, dass sich ein Mensch mit kognitivem Risiko, sein Umfeld in einer fremden Umgebung immer weniger so einrichten könne, dass er sich wohl fühle und seine Bedürfnisse befriedigt werden können. Sie verdeutlichte, dass eine strukturierte Erfassung und spezielle psychosoziale Interventionen (wie z. B. Biographiearbeit oder ein validierendes Vorgehen) dabei helfen könne, die Versorgung zu optimieren.
Im Anschluss berichtete Frau Sabine Herler – Kettrukat, Krankenschwester und Praxisanleiterin in der Frankfurter Diakonie Klinik, von ihrer Tätigkeit im Kognitionsteam und wie sowohl Menschen mit kognitivem Risiko als auch Mitarbeitende davon profitieren können. Sie zeigte auf, wie das Kognitionsteam präventiv und deeskalierend arbeite, um Patientinnen und Patienten bestmöglich zu begleiten. Sie betonte, dass neben Fachwissen vor allem Haltung, Teamarbeit und Kontinuität für die erfolgreiche Implementierung entscheidend seien.
Anschließend eröffnete Herr Dr. jur. Sebastian Kirsch, Richter am Amtsgericht Garmisch–Partenkirchen, den zweiten Teil des Symposiums. In seinem Vortrag, den er selbst als „provokant“ bezeichnete, skizzierte er die rechtlichen Grundlagen zur Freiheitsentziehung im Krankenhaus. Er betonte, dass rechtliche Korrektheit allein nicht ausreiche – es gehe um ethische Verantwortung und eine menschenwürdige Versorgung. Der Werdenfelser Weg, den er zusammen mit Herrn Josef Wassermann gegründet hatte, verstehe sich als Haltung, die dazu beitrage, Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen zu finden und Fachkräfte in der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Ziel sei es, Schutz und Freiheit in ein Gleichgewicht zu bringen.
Den Abschluss des Symposiums bildete der Vortrag des Fachkrankenpflegers für Notfallpflege Herr Anton Stiglmaier, der zugleich Verfahrenspfleger nach dem Werdenfelser Weg und im Demenz-Team des Universitätsklinikums Regensburg tätig ist. Er zeigte anhand eines praxisnahen Berichts, wie der Werdenfelser Weg im Krankenhausalltag gelebt werden könne. Besonders betonte er die Bedeutung der Sensibilisierung im Team und in diesem Zusammenhang die kontinuierliche Durchführung von Schulungen für alle Berufsgruppen des Krankenhauses, u. a. im multikulturellen Pflegekontext. Stiglmaier fügte hinzu, dass kulturelle Missverständnisse, Sprachbarrieren und unterschiedliche Erwartungen häufig zu Eskalationen führten. Umso wichtiger sei es, die Kommunikation in den Mittelpunkt zu stellen. Seine zentrale Botschaft lautete, dass der Schutz der Freiheit nicht allein von juristischen Vorgaben abhänge, sondern vor allem von gelebter Haltung im Alltag.
In der abschließenden Zusammenfassung hob Frau Meike Hüsken, hervor, dass der Umgang mit herausforderndem Verhalten nicht nur fachliche, sondern vor allem zwischenmenschliche und strukturelle Herausforderungen mit sich bringe. Alle Beiträge hätten gezeigt, wie wichtig Haltung, interdisziplinäre Zusammenarbeit und gute Rahmenbedingungen seien – und dass die Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen ein Ziel sei, das Wissen, Reflexion und konsequente Praxis brauche.
Die KBDiK dankte allen Referierenden und Teilnehmenden für deren Beiträge, Fragen und Engagement – mit der Einladung, gemeinsam weiter daran zu arbeiten, den Klinikalltag menschlicher, sicherer und würdevoller für Menschen mit kognitivem Risiko zu gestalten.