Ein Blick in die Vorträge
Herr Prof. Dr. med. Johannes Levin (Klinikum Ludwig-Maximilians-Universität München) stellte in seinem Vortrag die herausfordernde Ausgangslage für Menschen mit Demenz im Krankenhaus dar, die häufig mit besonderen Belastungen konfrontiert seien, die zu Desorientierung und Überforderung führten – und dass gerade in dieser Umgebung der Einsatz nicht-medikamentöser Maßnahmen besonders wichtig, aber auch besonders schwierig sei. Er betonte, dass in Deutschland zurzeit 1,8 Mio. Menschen mit Demenz lebten – fast jede Familie sei betroffen, was die Relevanz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe unterstreiche. Er hob hervor, dass eine fundierte fachärztliche Demenzdiagnostik – klinisch, apparativ und molekular – unabdingbar sei, um eine vorausschauende Versorgungsplanung zu ermöglichen. In manchen Situationen könne man so besser einschätzen, ob ein Aufenthalt in einem Krankenhaus wirklich erforderlich sei oder ob die Stresssituation Krankenhaus vermieden werden könne. Besonders wichtig sei, dass die Diagnose Demenz den Betroffenen auch tatsächlich mitgeteilt werde. Prof. Levin bezog sich hierbei auf Empfehlungen des Weltdemenzrats, dem zufolge dies notwendig sei, um den Betroffenen bereits im frühen Stadium der Erkrankung die Möglichkeit zu geben, selbstbestimmt über u. a. Patientenverfügungen, Vorsorgevollmachten, ein Testament oder die Beantragung eines Pflegegrads zu entscheiden. Mit Blick auf die medikamentöse Behandlung erläuterte er, dass derzeit nur symptomatisch wirkende Präparate zugelassen seien. Kausale Therapien befänden sich noch im Zulassungsverfahren. Umso wichtiger seien daher nicht-medikamentöse Interventionen. Es ebe Hinweise aus Studien, so Prof. Levin, dass körperliche Aktivität – insbesondere Ausdauer- und Kraftsport – den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen könne. Eine zentrale Herausforderung im Krankenhaus sei zudem die hohe Rate an Delirien bei Menschen mit Demenz. Levin betonte die Notwendigkeit einer frühzeitigen Erkennung mittels validierter Screeninginstrumente. Im Anschluss müsse auf nicht-medikamentöse Maßnahmen gesetzt werden – hierzu zählte er eine angemessene Reorientierung, etwa durch Unterstützung der Sinneswahrnehmung (z. B. durch eine Brille oder Hörgeräte), eine ruhige Atmosphäre mit wenig Personalwechsel sowie gut sichtbare Informationen zu Ort, Datum, Uhrzeit und Behandlungsanlass. Auch die aktive Einbindung von An- und Zugehörigen – wenn möglich und nötig mit durchgehender Anwesenheit – sei von großer Bedeutung. Zusätzlich nannte Levin die frühe Mobilisierung und eine angepasste Schmerztherapie als weitere zentrale Elemente.
Die Pflegewissenschaftlerin Frau Cornelia Plenter (Der Paritätische NRW) betonte, dass Patientinnen und Patienten mit Demenz im Krankenhaus ein spezielles Versorgungssetting benötigen, da ein Klinikaufenthalt den Gesundheitszustand stark beeinträchtigen könne. Ziel müsse es u. a. sein, Überforderung zu vermeiden, einen stabilen Tag-Nacht-Rhythmus zu fördern, die Selbstständigkeit zu erhalten und ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln.
Das von ihr vorgestellte Konzept Teekesselchen basiere auf einer tagesstrukturierenden Betreuung in einem eigens dafür eingerichteten Raum mit haupt- und ehrenamtlich tätigem Personal. Es biete vielfältige Beschäftigungs- und Aktivierungsangebote, darunter auch gemeinsame Mahlzeiten. Die Teilnahme erfolge unabhängig von Station und Fachbereich – die Patientinnen und Patienten werden zum Teekesselchen gebracht, vormittags betreut, kehren zur Mittagsruhe zurück und nehmen am Nachmittag erneut an Aktivitäten teil. Laut Frau Plenter entlaste das Angebot nicht nur die Mitarbeitenden auf den Stationen spürbar, sondern zeige auch moderate positive Effekte in den Bereichen Mobilität, Kognition und Verhalten.
Sie betonte abschließend, dass eine kontinuierliche Koordination und die feste Einbindung des Angebots in den Stationsalltag unerlässlich seien, um ein solches Tagesbetreuungsangebot langfristig zu etablieren.
Frau Meike Knost (Pflegewissenschaftlerin, Krankenhaus Lübbecke) und Herr Jennis Lampe (Pflegefachperson, Medizinisches Zentrum für Seelische Gesundheit), beide Mühlenkreiskliniken) präsentierten ihre Erfahrungen mit dem Einsatz des interaktiven Sattelrobbenroboters Robbi in der Praxis. Sie hoben hervor, dass Studien u. a. positive Effekte wie die Reduktion von Angst und Stress sowie die Förderung von Interaktion und Kommunikation bei Patienten zeigten. Zudem könne der interaktive Roboter Unruhezustände mindern. Vor der Implementierung seien jedoch u. a. hygienische Standards, die Klassifizierung als Medizinprodukt sowie praktische Anwendungsrichtlinien zu berücksichtigen.
Robbi reagiere auf Berührungen, wende sich Lichtquellen zu und erkenne seinen Namen. Die bisherigen Erfahrungen mit seinem Einsatz, auch auf Intensivstationen, seien sehr positiv. Der Roboter ermögliche Zuwendung und Fürsorge und könne als „emotionaler Türöffner“ fungieren.
Zusätzlich berichteten sie über den Einsatz von zwei Therapiebegleithunden in Einzel- und Gruppentherapien. Dabei seien hohe hygienische Anforderungen zu erfüllen, wie jährliche tierärztliche Kontrollen und die Dokumentation des Gesundheitszustands der Tiere. Abschließend betonten Frau Knost und Herr Lampe, dass der Einsatz sowohl von Robotern als auch von Therapiebegleithunden individuell entschieden werden müsse. Beide Ansätze hätten ihre Berechtigung, erforderten jedoch spezifisches Wissen und Schulungen für eine erfolgreiche Implementierung.
Herr Dr. med. Konstantin Lekkos (Helios Klinikum Hildesheim) präsentierte in seinem Vortrag die u. a. von ihm entwickelte Spiele-App Auguste, die zur Beschäftigung und Förderung der kognitiven Fähigkeiten von u. a. Menschen mit Demenz konzipiert wurde. Seine Erfahrungen zeigten, dass gezielte spielerische Ansätze nicht nur kognitive Fähigkeiten stimulierten, sondern auch den Beziehungsaufbau zwischen Patientinnen und Patienten und betreuenden Personen unterstützen könne. Dr. Lekkos betonte, dass Hirnleistungstraining derzeit als eine der effektivsten Therapieformen gelte. Um eine optische Überreizung der Nutzenden zu vermeiden, sei bei der Gestaltung der App darauf geachtet worden, dass alle Spiele einen Holztisch als Hintergrund haben. Die App biete drei verschiedene Schwierigkeitsgrade (leicht, mittel, schwer) und umfasse Spiele wie Memory, Zahlenreihenfolgen, das Zählen von Schiffchen, das Erkennen von Gegenständen auf Fotos, typische Alltagssituationen beim Einkaufen, das Ablesen der Uhrzeit sowie das Zuordnen von Jahreszeiten. Ein besonderes Merkmal der kostenfreien App sei die Möglichkeit, persönliche Fotos aus der Vergangenheit der Patientinnen und Patienten hochzuladen, um deren Erinnerungen gezielt anzuregen. Dr. Lekkos hob hervor, dass neben dem Training kognitiver Fähigkeiten vor allem der zwischenmenschliche Aspekt im Vordergrund stehe.
Abschließend stellte Frau Martina Kirchisner (Diplom-Pflegewirtin (FH), InnKlinikum Altötting und Mühldorf) in ihrem Vortrag den Einsatz von Betreuungskräften im Krankenhaus in den Mittelpunkt. Sie machte deutlich, dass menschliche Zuwendung und gezielte Begleitung ein entscheidender Faktor für eine demenzsensible Versorgung im Krankenhaus seien. Das Konzept der InnBetreuung umfasse eine aufsuchende, individuelle Fallbegleitung und Einzelangebote für alle Patientinnen und Patienten mit Demenz, die stationär behandelt werden müssten. In der Geriatrie seien zusätzlich Gruppenangebote verwirklicht. Der Einsatz erfolge auch im integrierten Notfallzentrum.
Frau Kirchisner erläuterte, dass die Mitarbeitenden Stationen fest zugeordnet seien und, dass diese in enger Abstimmung mit der Pflege - u. a. im Rahmen von Teambesprechungen -arbeiten. Sie seien gemäß §53b SGB XI ausgebildet und erhielten eine ausführliche Einarbeitung in das akutstationäre Setting, einschließlich Hygiene und Abläufe. Vor der Implementierung seien Überlegungen angestellt worden, wie viele Patientinnen und Patienten mit kognitiven Einschränkungen betreut werden. Anhand dieser Daten seien Kennzahlen erhoben, Ziele definiert und Berechnungen erstellt worden, um das Vorgehen bzw. die Notwendigkeit von individueller Begleitung fundiert zu begründen. Abschließend hob Frau Kirchisner die langfristigen Vorteile dieses Gesamtkonzepts hervor, wie z. B. die Delirprävention und -management, Reduzierung der Verweildauer sowie die Steigerung der Zufriedenheit von Patienten- und Mitarbeitenden.
Das 4. Symposium hat eindrucksvoll verdeutlicht, dass es nicht den einen „richtigen“ Weg gibt, um Menschen mit Demenz im Krankenhaus bedürfnisorientiert zu versorgen. Vielmehr existiert eine Vielzahl an möglichen Ansätzen und Anknüpfungspunkten, die individuell angepasst werden können, um Menschen mit Demenz aus dem Labyrinth Krankenhaus zu begleiten.